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Fünf Freunde

Umfeld

Fünf Freunde und das Radio

Zur Zeit der Fünf Freunde war das Radio das schnellste Informationsmedium und oft die einzige Alternative zur Zeitung. Bis zum Aufbau der UKW-Senderketten ab den 1960er Jahren wurde praktisch in allen europäischen Ländern im Inland vorwiegend auf Mittelwelle gesendet. Der Vorteil der Mittelwelle liegt darin, daß keine umfangreichen Sendeaufbauten nötig sind. Ein nur etwa 30 Kilowatt starker Sender in der Größe eines Reisekoffers hat bereits eine Reichweite von mehreren 100 Kilometern. Bei einem Mittelwellensender mit entsprechend hoher Antenne und einigen hundert Watt Leistung ergibt sich in der Regel eine flächendeckende, landesweite Verfügbarkeit - von Funkschatten etc. einmal abgesehen. Leider ist die Tonqualität der Mittelwelle nur mäßig und überdies starken atmosphärischen Störungen unterworfen. Dafür reicht zum Empfang der Sendungen, auch über große Entfernungen, ein relativ kleines Radiogerät, welches vor Erfindung der elektronischen Transistoren noch mit Röhrentechnik bestückt war und etwa die Größe eines Schuhkartons hatte. Solche Geräte wurden vor der flächendeckenden Elektrifizierung mit einer Batterie betrieben, die eine Lebensdauer von etwa zwei Wochen hatte, im örtlichen Gemischtwarenladen gekauft und nach Gebrauch im selben Laden gegen eine frische Batterie ausgetauscht wurde. Damit war das Radiogerät nicht auf einen elektrischen Stromnetzanschluß angewiesen.

Ende der 1950er Jahre wurde das Fernsehen allmählich populär, aber die nennenswerte Verbreitung von Empfangsgeräten setzte erst in den 1960er Jahren ein. So gibt es in der Küche von Kirrin Cottage zwar ein Radiogerät, wie man in [C] erfährt. Ob die Kirrins aber auch einen Fernsehapparat haben, wird nicht gesagt. Vermutlich haben sie keinen, denn entgegen unseren heutigen Gewohnheiten verbringen die Fünf Freunde ihre Abende mit Gesellschaftsspielen. Es ist außerdem etwas besonderes, wenn in [F] die Fünf im Hause des Küstenwächters auf dem Apparat des zwielichtigen Feriengastes Mr. Curton eine Fernsehsendung ansehen. Im Text heißt es überdies, daß George nur selten fern sieht. Wann und wo sie jedoch von einer dieser seltenen Gelegenheiten Gebrauch macht, wenn es in Kirrin Cottage wohl kein Fernsehgerät gibt, wird nicht gesagt.

Das Radio ist im abenteuerlichen Leben der Fünf Freunde zwar hin und wieder präsent, spielt aber bei den meisten Abenteuern keine Rolle. Selbst der Radioapparat in der Küche von Kirrin Cottage wird so gut wie nie benutzt, wohl um Onkel Quentin nicht bei der Arbeit zu stören. Lediglich Mrs. Stick hat in [C] das Gerät eingeschaltet, sodaß sie nicht hört, wie Julian die Küche betritt. In [S] finden die Freunde in einem Schrank im alten Leuchtturm das alte Radiogerät von Tinkers Vater und hören damit den Wetterbericht. In [H] gibt es in Owl's Dene gleich zwei Radiogeräte: Eines in dem geheimnisvollen Arbeitszimmer und ein weiteres in der Küche. Kurz nach sechs Uhr erzählt Aggie den Fünf Freunden, daß in den Radionachrichten eine Suchmeldung nach Richard Kent gebracht wurde. Um neun Uhr schalten sie selbst das Radio in der Küche ein, um die Suchmeldung in den Nachrichten zu hören. Auswirkungen auf die Handlungen dieser Abenteuer hat das Radio jedoch nicht. Ansonsten wird in den Geschichten gelegentlich erwähnt, daß irgendjemand Radio hört, wie z.B. eine Frau hinter einem Fenster in Castaway in [D], beobachtet von George die gerade auf der Stadtmauer entlang schleicht, oder Mr. und Mrs. Penruthlan in [L], die einen Abend vor dem Radiogerät verbringen. Nur in zwei Geschichten wird das Radio in die Handlung hineingerückt.

In [P] wird dem Radio eine gewisse Bedeutung zugebilligt, weil in den Nachrichten über die Vorgänge auf dem Flugplatz berichtet wird. Als die Fünf Freunde ihre Sachen für die Reise packen, beschließen sie auch das tragbare Radiogerät mitzunehmen, damit sie - wie Anne sagt - ihre Lieblingssendungen und die Nachrichten anhören können. Offenbar hören die Kinder öfters Radio, auch wenn es aus den Geschichten nicht hervorgeht, denn sonst hätten sie keine Lieblingssendungen. Ein weiteres Argument von Anne ist, daß sie am Billycock Hill wahrscheinlich keine Zeitungen kaufen können und sich somit nur via Radio über das aktuelle Weltgeschehen informieren können. An ihrem Ziel angekommen, schalten sie aber erst am zweiten Abend das Radiogerät ein, um ein wenig Musik zu hören. Anne ermahnt ihren Bruder Dick das Gerät nicht zu laut einzustellen, denn sie haßt Leute, die mit lauter Musik die Ruhe der Natur stören, wie sie sagt. Anne weiß auch schon, was sie hören will: Die Pastorale Symphonie soll es sein, die direkt nach den Sieben-Uhr-Nachrichten folgt. Anne hat sich extra eine Notiz gemacht, daß sie an diesem Abend gesendet wird, folglich hat sie die Programmzeitschrift sorgfältig studiert. Die Musik scheint zur Stimmung des Abends und zum Sonnenuntergang zu passen und die Fünf Freunde hören hingebungsvoll zu. Unterbrochen wird das Idyll jedoch von lauten Flugzeuggeräuschen. Nach dem Abendessen bauen die Freunde angesichts eines nahenden Sturmes ihre Zelte auf. Als sie sicher im Zelt sitzen und die ersten Regentropfen fallen, wollen sie das Radio wieder einschalten. Diesmal ist es Timmy, der durch lautes Bellen den Radiogenuß im Keim erstickt. Er hat den falschen Mr. Brent gehört, der sich auf dem Hügel herumtreibt. Nachdem Julian den Grund für Timmys Bellen herausgefunden hat, ist der Radioabend dennoch gelaufen, denn die Sendung mit der Pastoralen Symphonie ist vorbei und nun läuft nichts interessantes mehr. Am nächsten Abend wird das Radiogerät wieder eingeschaltet, um den Wetterbericht zu hören. Gerade als Dick den Apparat wieder ausschalten will, kommt eine Meldung über die gestohlenen Flugzeuge und den Flugplatz von Billycock Hill. Die Fünf Freunde erfahren aus dem Radio, daß Jeff und Ray und ihre Flugzeuge während des nächtlichen Sturms verschwunden sind und daß die beiden Flieger des Landesverrates verdächtigt werden. Toby weiß etwas mehr als im Radio gesagt wurde, denn er erzählt den Freunden, daß Jeff und Ray nicht beim Gruppenappell anwesend waren. Militärpolizisten waren bereits früh morgens auf der Farm gewesen und hatten Fragen über die beiden Piloten gestellt. Toby war so wütend über die Behauptung, das sein Cousin ein Verräter sei, daß er einen der Männer sogar geboxt hatte. Später kommen die Militärpolizisten auch ins Zeltlager der Fünf Freunde, stellen Fragen und bekräftigen die im Radio genannten Verdächtigungen, ohne jedoch Beweise für ihre Anschuldigungen zu haben. Wie sie zu ihren falschen Schlußfolgerungen gelangt sind, wollen sie auch nicht sagen. Die Fünf und Toby beschließen eigene Nachforschungen anzustellen, und zwar auf der Schmetterlingsfarm. Bevor sie nach Einbruch der Dunkelheit losziehen, schalten die Fünf Freunde um sechs Uhr das Radiogerät ein. Gleich die erste Nachrichten- Meldung beschäftigt sich mit dem Flugzeugdiebstahl. Die Flugzeuge sind ins Meer gestürzt, die Piloten Jeff und Ray vermutlich ertrunken, heißt es darin. In den Neun-Uhr-Nachrichten wird die Meldung wiederholt. Toby hat die Nachrichten um sechs ebenfalls gehört. Er erwähnt dies, als er Julian und Dick am Rande der Schmetterlingsfarm trifft. Folglich muß es auch auf der Billycock Farm ein Radiogerät geben. Die Radionachrichten über den Diebstahl und den Flugzeugabsturz sind für den Handlungsverlauf eigentlich nicht maßgebend und Indizien für die Unschuld von Jeff und Ray, die den Behauptungen des Radios und der Militärpolizisten trotzen, gibt es genug: Der nächtliche Schrei im Sturm und Timmys Gebell, der falsche Mr. Brent, die Vorgänge auf der Schmetterlingsfarm und die seltsamen Geräusche in den Höhlen. Den maßgeblichen Hinweis auf den Aufenthaltsort von Jeff und Ray liefert Curly, das Ferkel von Tobys Bruder Benny. Das Radio dient bei diesem Abenteuer folglich mehr der Abrundung der Handlung, ohne direkt Einfluß auf diese zu haben. Daß die beiden Flieger verschwunden sind, hätten die Fünf auch von Toby oder den Militärpolizisten erfahren. Und daß die Flugzeuge ins Meer gestürzt sind, mag zwar die patriotischen Gefühle der britischen Leser beruhigen. Für die Suche nach Jeff und Ray hat das aber keine Bedeutung.

In der Kurzgeschichte When Timmy chased the Cat! gelingt es der alten Dame in Tarleys Mount nach ihrem Sturz gerade noch das Radio einzuschalten. Dadurch werden die Fünf Freunde aufmerksam, die auf das Grundstück gegangen sind, um Timmy zurück zu holen, der einer Katze hinterher gerannt ist. Die Fünf gehen den nächtlichen Radiogeräuschen in dem vermeintlich leeren Haus nach und finden die alte Dame bewegungsunfähig auf dem Fußboden liegen. Damit ist diese Geschichte das einzige Abenteuer der Fünf Freunde, in dem das Radio eine nicht zu ersetzende Funktion übernimmt und überdies der alten Dame das Leben rettet. Bei den übrigen Abenteuern dient das Radio lediglich als schmückendes Beiwerk zur atmosphärischen Ausgestaltung.

Peter